| |

Pessimismus? – Optimismus? – Possibilismus

Pessimismus? - Optimismus? - Possibilismus

Es sieht derzeit nicht danach aus, dass die Erderwärmung bis 2100 unter 2 Grad gehalten werden könnte, geschweige denn, die Pariser Klimaziele eingehalten würden. Auch bei den Klimabewegten und – aktivisti scheint sich der Pessimismus auszubreiten. Zu wenig Erfolge im Vergleich zu den „schlechten“ Nachrichten. Klimaforscher, wie z.B. Mojib Latif, befürchten eine Erwärmung bis 2,7 Grad und sagen, dass dies unbeherrschbare Folgen mit sich bringt. In den vergangenen 12 Monaten gab es in Mitteleuropa mehrere sehr heftige Hochwasser und Sturzregen, die einen Vorgeschmack darauf geben, was da kommen könnte, wenn die Erderwärmung weiter so voranschreitet. Und dann lauern da ja noch die Kippelemente, die Rechtextremisten, zudem schwindende Teilnehmerzahlen bei Klimaschutzdemos, abnehmendes Interesse an diesem Thema usw. Nichts zuletzt die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA und der Bruch der Regierungskoalition, die einen vorzeitigen Rechtsruck bedeuten könnte und auch das Ende einer Regierungsbeteilgung der Grünen. Da den Kopf oben zu behalten, fällt wirklich schwer.

Dies mit ein Grund weshalb wir diese Beitragsreihe gestartet haben. Was aber ist nun ein MUST HAVE um mit all dem umgehen zu können? Pessimismus, Optimismus, oder gibt es vielleicht noch einen dritte Weg, den Possibilismus, der ein geeignetes Tool in unserer krisenhaften Zeit sein könnte? Schauen wir uns die Möglichkeiten im einzelnen doch mal an.

Manch eine*r möchte den Kopf in den Sand stecken. Ein*e andere*r bleibt unerschütterlich optimistisch. Ein*e dritte*r hat es schon immer gewusst und sieht sich in ihrem/seinem Pessimismus bestätigt. Der pessimistischen Person erscheint die optimistische oder auch hoffnungsvolle Person als „naiv“. Der*die Pessimist*in, ist zudem strategisch im Vorteil. Irrt er*sie sich in der Vorhersage, ist es allen egal, denn mensch freut sich über die positive Entwicklung. Der*die unirrbare Optimist*in wiederum kann tatsächlich blind für die problematischen Entwicklungen sein, d.h. er*sie redet sich die Welt einfach schön1. Beide Haltungen, Pessimismus wie Optimismus, können bequem sein, da sie sich nicht differenziert mit der Materie auseinander setzen müssen. Was nicht heißt, dass z.B. Pessimist*innen nicht viele Gründe für ihre Haltung vorbringen könnten, aber wenn eh alles den Bach runtergeht, braucht man auch keine Verantwortung übernehmen. Und das ist eben bequem. Pessismus als auch Optimismus können aber auch ein Schutz vor Überforderung sein, jedoch auch eine Sackgasse, die mensch ohne vermeintlichen Gesichtsverlust nicht mehr verlassen kann.2 (Mir ist durchaus bewusst, dass die Haltungen hier ein wenig überzeichnet sind.)

In Zuge der zunehmenden Krisenhaftigkeit unserer Zeit wird der „Possibilismus“ ins Spiel gebracht. Laut Wikipedia wurde dieser am Ende des 19. Jahrhunderts von dem Franzosen Paul Brousse propagiert.

Porträbild von Paul Brousse

Der*die Possibilist*in sieht die Möglichkeiten, die auch angesichts unüberwindbar scheinender Schwierigkeiten bestehen. Solange nicht alles verloren ist, gibt es etwas zu gewinnen. Das beinhaltet die Bereitschaft, die Ungewissheit des Ausgangs zu akzeptieren, aber auch die Bereitschaft, sich auf etwas Neues einzulassen, seine Position ggf. zu verändern.

In die ähnliche Richtung geht folgender Satz (aus den 40er Jahren im letzten Jahrhundert von Reinhold Niebuhr, wohl auch als „Gelassenheitsgebet“ bekannt):

„Gott, gib uns die Gnade, mit Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Nicht ganz so theologisch formuliert ist es der Wunsch, die entsprechende Fähigkeit zu besitzen bzw. die Anregung, sich um diese zu bemühen. Es beinhaltet die Auseinandersetzung mit der Realität und mit den Möglichkeiten, sie zu einer „besseren“ zu machen, und zu akzeptieren, wenn sich etwas wirklich nicht mehr ändern lässt bzw. der Einsatz viel zu hoch zu sein scheint.

Alle drei Dinge, die Realität (das, was ist), die realen Möglichkeiten (das, was eine Wahrscheinlichkeit besitzt, Wirklichkeit zu werden), und das Unabänderliche, hat der*die Possibilist*in gleichermaßen im Blick und muss jedesmal (für sich) abwägen, wo er*sie Verantwortung hat bzw. haben kann3 und diese übernehmen kann bzw. möchte. Selbstredend sollte die Person dabei die eigenen Kraftreserven abschätzen können. Burn-out oder verzweifelt gegen Wände rennen, hilft niemanden.

In diesem Sinne könnte man auch sagen: Kopf hoch, sieh‘ was alles möglich ist und pass auf dich auf!

Deswegen haben wir den Possibilismus in unseren Werkzeugkasten gepackt. Und mit ihm im Gepäck geht es im nächsten Beitrag um das schon oft erwähnte und bereits angekündigte MUST HAVE der Geschichten.

————————————–

  1. In Köln spiegelt es sich in dem Spruch „Et hätt‘ immer noch jot jejange“ (Es ist immer noch gut gegangen) wieder. Wenn man sich die desolate Lage der Stadt mal anschaut, sieht man, wohin das führen kann. ↩︎
  2. Zum Pessimisten kann man den Skeptiker zuordnen, der überall das Haar in Suppe findet, und auch keine Verantwortung übernimmt, da ihm nur die 100% Lösung reicht, die es aber nie geben wird. Zum Optimisten hingegen den Opportunisten, der die Welt schön redet, da er von den gegebenen Verhältnissen profitiert und/oder sich selbst nicht ändern will. ↩︎
  3. Für den Philosophen Hans Jonas ist das „Haben-können“ von Verantwortung gleichzusetzen mit „Verantwortung haben“. Bei jeder Möglichkeit, die eine wirkliche ist, hat man die Wahl der Entscheidung und ein Verantwortung haben können und damit automatischerweise die Verantwortung, auch in dem Fall, wo man sich nicht entscheidet. Das „Sich-nicht-entscheiden“ ist eben auch eine Entscheidung. ↩︎

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert