Die Tunnel-Lobby in Köln
Immer wieder werden wir gefragt: „Da es kein vernünftiges Argument für den Ost-West-Tunnel gibt – welche Interessen stecken eigentlich dahinter?
Wer will solche Tunnel und warum?“
Zum Beispiel die Stadtdirektorin Andrea Blome, die sich stets für den Tunnel ausgesprochen hat – mit dem Hinweis „Ich kann Tunnel“. Dafür sei sie ja nach Köln geholt worden, so „verriet“ kürzlich der FDP-Fraktionsvorsitzende Ralph Sterck in einer öffentlichen Veranstaltung im Domforum.
Zu möglichen Hintergründen möchten wir Hinweise geben:
In Köln ist der Bundesverband der Tunnel-Lobby ansässig, die „Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen“, kurz STUVA.
Sie wurde in den 60er Jahren gegründet, als das Ziel eine autogerechte Stadt war, als Straßenbahnen entweder zugunsten von Bussen abgeschafft oder in den Untergrund verlegt wurden.
„Durch die Tätigkeit der STUVA sollen innerstädtischer Verkehr und unterirdisches Bauen als Ganzes weiterentwickelt und gefördert werden.“ heißt es auf der Webseite. „Innerstädtischen Verkehr“ und „unterirdisches Bauen“ zusammenbringen, ergibt natürlich U-Bahnen.
Die STUVA befasst sich mit allen Themen rund um den Tunnelbau, gibt die Zeitschrift „Der Tunnel“ heraus und organisiert regelmäßig Tagungen und Kongresse. Sie betreibt Forschung und gutachterliche Tätigkeiten in Bereichen wie Brandschutz und Bautechnik.
Mitglied sind alle großen Baufirmen wie Hochtief, Bilfinger Berger, Strabag, Züblin, Wayss&Freytag, Max Bögl, usw., der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, der Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein, der Verein Deutscher Zementwerke, natürlich Deutschlands größte Tunnelbohrfirma Herrenknecht.
Mitglieder sind auch mit dem Themenkreis rund um den Tunnel-/Tiefbau befasste Hochschulinstitute und -Dozenten sowie alle großen Ingenieurbüros mit Expertise im U-Bahn- und Tunnelbau; auch das Büro Spiekermann, das für die Planungen des Projekts Ost-West-Achse tätig ist.
Auch in öffentliche Verwaltungen und Verkehrsbetriebe ragt die STUVA hinein. Über Verkehrstunnel entscheiden schließlich öffentliche Stellen. STUVA-Mitglieder sind: u.a.:
die Deutsche Bahn – DB InfraGo, die Autobahn GmbH des Bundes, Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH – DEGES, die Verkehrsdezernate, die Tief- und Tunnelbauämter von einigen Kommunen, die Verkehrsbetriebe aus verschiedenen Großstädten sowie der Dachverband der Verkehrsunternehmen (VDV).
STUVA-Mitglieder aus Köln sind u.a. das Amt für Tunnel, Brücken und Stadtbahnbau und die Kölner Verkehrsbetriebe.
Ebenso die Fakultät für Bauingenieurwesen und Umwelttechnik der TH Köln, Lehr- und Forschungsgebiet Geotechnik und Tunnelbau.
Dies ist ein sehr mitgliedsstarkes und einflussreiches Netzwerk, das sich wie jede Lobby selbstverständlich darum bemüht, neue Tunnel-Projekte auf den Weg zu bringen, sei es bei Kommunen, bei der Bahn oder bei Autobahnplanungen.
Nach Köln sind die Beziehungen besonders eng. Hier bestehen nicht nur Verbindungen durch Mitgliedschaften, sondern auch durch Sitze in den STUVA-Gremien. Dem siebenköpfigen STUVA-Vorstand gehört Stadtdirektorin Andrea Blome an, vorher Verkehrsdezernentin in Köln und Leiterin des Verkehrsamtes in Düsseldorf, eine bekennende Verfechterin des Ost-West-Tunnels, zuvor in Verantwortung für den Bau der Düsseldorfer Wehrhahnlinie.
Im Beirat der STUVA sitzt der KVB-Technikvorstand Jörn Schwarze.
Die STUVA selbst schreibt, Mitglieder „mit Rang und Namen sind vertreten: Industrie, Verbände, Städte, Verkehrsbetriebe, Ingenieurbüros, Hochschulen. Auf diese Weise bringt sie [die STUVA] alle wichtigen Instanzen für den Tunnelbau, Tunnelbetrieb und sonstige Verkehrsanlagen zusammen.“
Tunnelbauten gehören zu den lukrativsten Aufträgen für die Bauindustrie, denn sie bringen eine Fülle von Unwägbarkeiten mit sich, welche Verlängerungen der Bauzeit, höhere Kosten und Nachforderungen ermöglichen. Es kann nie bis ins Detail vorausgeplant werden, welche Probleme rund um einen Tunnelbau auftauchen können: Probleme wegen der Gesteinsarten, mit dem Grundwasser-Management, archäologische Funde, Bombenfunde, Mehrkosten durch höhere Energie- und Rohstoffpreise während der langen Bauzeit, usw.
Fast immer können nur große Konzerne solche Großprojekte umsetzen, die dann eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) bilden.
Schienenstrecken oberirdisch zu verlegen, bringt dagegen nicht so viel und kann auch von kleineren regionalen Baufirmen erledigt werden. Als die Linie 5 nach Ossendorf/IKEA verlängert wurde, kostete die 1,8 km lange Strecke mit drei neuen Haltestellen nur 18 Millionen Euro und war in 8 Monaten fertiggestellt.
In Anbetracht dieser Konstellationen und der engen Verbindungen der STUVA ins Kölner Verkehrsdezernat, zur KVB und in die Politik stellen sich Fragen:
- Kann das ein Grund dafür sein, dass in Köln eine solche Tunnel-Manie besteht, trotz schlechter Erfahrungen?
- Und dass dauernd neue Pläne für weitere Untertunnelungen in der Stadt auftauchen?
- Und was macht eine Stadtdirektorin eigentlich im Vorstand eines solchen Lobby-Vereins?
Seit Veröffentlichung der Beschlussvorlage zur Ost-West-Achse wird uns zudem aufgetischt, dass der Tunnel mit einem Nutzen/Kosten-Indikator von 1,4 förderfähiger sei als die oberirdische Lösung mit dem Faktor 1,3.
Wie konnte der Faktor der oberirdischen Lösung von 2,3 (2018) auf aktuell 1,3 fallen? Die Nutzen-Kosten-Analyse wurde vom Büro Spiekermann erstellt, die Betriebssimulation der Verkehre von einem Büro der SSF-Ingenieure. Beide Ingenieurbüros sind Mitglieder der STUVA.
Vergeblich wurde bisher nach den Berechnungen im Detail gefragt. Auch dem Stadtrat stehen diese Informationen nicht zur Verfügung.
Warum wird ein solches Geheimnis daraus gemacht?
Wir empfehlen auch eine Recherche des Politmagazins „Monitor“:
Petition #ObenBleiben zeichnen
Bündnis Verkehrswende Köln – Juni 2024
X-Post von https://verkehrswende.koeln/infos-zur-tunnel-lobby