CDU-Programm – energiepolitisches Bullerbüh!
Energiepolitik: Warum das CDU-Programm den Herausforderungen unserer Zeit nicht gerecht wird. Der Fokus jenseits der günstigen und markterprobten erneuerbaren Energien ist energiepolitisches Büllerbüh!
Energie ist der Antrieb von allem.
Guten Abend Köln, ich bin von den Parents for Future Köln und seit 46 Jahren klimabewegt.
Seit meinem ersten Demobesuch mit der Hambach-Gruppe am 17. Oktober 1978 zur Eröffnung des Tagebaus Hambach hat mich das Thema Energie nicht mehr losgelassen.
Deshalb schaue ich einmal mit Euch auf die energiepolitischen Eckpunkte des neuen CDU-Grundsatzprogramms.
„Statt Kohle wollen wir in der nächsten Dekade mit Gaskraftwerken die bisher fehlende Möglichkeit der langfristigen Speicherung der Erneuerbaren Energien und die erforderlichen Grundlasten sichern.
Entwurf Grundsatzprogramm der CDU 2024, Zeile 1776ff
Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten.
Deutschland muss bei Energieinnovationen an der Spitze stehen. Wir werden die klimafreundliche Erzeugung und Speicherung gerade von Strom vorantreiben. Wir setzen bei der Gesamtenergieversorgung von morgen auf Technologieoffenheit in Anwendung und Forschung.
Dazu gehören derzeit Brennstoffzellen, Wasserstoffkraftwerke, klimafreundliche Gaskraftwerke Kernkraftwerke der vierten und fünften Generation sowie Fusionskraftwerke. Wir wollen den weltweit ersten Fusionsreaktor bauen.“
Zunächst einmal die gute Nachricht: die Cohleunion hat sich nach Jahrzehnten des Widerstandes jetzt endgültig von der Kohle getrennt. Nachdem sie dafür gesorgt hat, dass RWE & co. einige Milliarden € für die vorzeitige Stilllegung erhalten. Und mit dieser Zahlung wohlmöglich vor der Insolvenz gerettet wurden.
Aber – und Ihr wisst ja, dass alles was vor einem „aber“ gesagt wird i.d.R. ignoriert werden kann – unter dem Deckmäntelchen „Technologieoffenheit“ werden uns neben Atomstrom noch Fusionskraftwerke und der massive Ausbau von Gaskraftwerken (Methan und Wasserstoff) sowie Brennstoffzellen (E-Motor mit Wasserstoff) untergejubelt.
Kernfusion habe ich kürzlich beim Dachbodenentrümpeln auf dem Titel eines P.M. Heftes mit gelben Einband aus den Achtzigern entdeckt. Damals wurde uns schon von einer Markteinführung der Kernfusion in 20 Jahren berichtet. Heute berichtet die Presse ähnliches:
Wir sind in diesem Feld bislang über Grundlagenforschung nicht hinaus gekommen. Da hier moonshot thinking greift sind weitere Forschungen erstrebenswert. Mehr als magisches Denken und hoffen auf ein Wunder ist das Ganze in meinen Augen aber nicht.
Schauen wir uns jetzt einmal alle anderen Stromgewinnungsmöglichkeiten im Vergleich an. Denn hier postuliert die CDU:
„Wir arbeiten für eine Zukunft, in der Energie sicher, sauber und bezahlbar ist.“
ebd., Zeile 1724
Wenn Du heute in ein Kraftwerk investierst, schaust Du auf die LCOE.
Ganz gleich, ob es ein Solarpaneel an Deinem Balkon ist oder ein 20 MW Großprojekt.
LCOE ist die Abkürzung für levellized cost of energie, auf Deutsch Stromgestehungskosten. Was heißt das? Mit diesem Wert kannst Du vergleichen, wieviel die Energie entlang der Lebensdauer eines Kraftwerkes kostet. Du vergleichst also hier tatsächlich Äpfel mit Äpfeln. Üblich ist die Einheit US$ / MWh.
Atomstom ist mit 180 US$/MWh Investitionskosten die teuerste Option. Sie haben sich seit 2010 nahezu verdoppelt! Rechnet man die Folgekosten hinzu wird diese Technologie unbezahlbar.
Atomstrom ist aus meiner Sicht energiepolitisches Bullerbüh. Warum soll eine sichere, saubere und bezahlbare Zukunft also genau mit dieser „unverzichtbaren“ Option realisiert werden? Gibt es eine andere Agenda im Programm?
Hier hilft vielleicht die Suche im Programm nach dem Schlagwort „Atom“. Es gibt eine Fundstelle:
„Auch die nukleare Teilhabe als wichtiges Element der nuklearen Abschreckung soll mit unseren europäischen Partnern wie Frankreich und dem Vereinigten Königreich zu einem gemeinsamen atomaren Schutzschirm weiterentwickelt werden. „
ebd., Zeile 776
Den Plan einer europäischen Atombombe, am besten aus deutscher Fertigung, kannst Du nur realisieren, wenn Du Atomreaktoren baust und betreibst.
Einschub: Programmbausteine im Konflikt mit dem Grundgesetz
Ein kleiner Einschub ohne Vollständigkeit: das Programm setzt weiterhin auf eine zunehmende Militarisierung Deutschlands:
„Damit Deutschland auf europäischer Ebene anschlussfähig bleibt, muss sicherheits- und verteidigungsrelevante Forschungskooperation mit Hochschulen ermöglicht werden. Zivilklauseln müssen abgeschafft werden.“
ebd., Zeile 772ff
Zivilklauseln sind Selbstverpflichtungen von wissenschaftlichen Einrichtungen wie Universitäten, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen. Für die Abschaffung muss die CDU Artikel 5 GG, die Wissenschaftsfreiheit, außer Kraft setzen.
Weiterhin finden wir im Programm
„Die Bundeswehr muss bei Bedarf auch im Inland eingesetzt werden dürfen.“
ebd, Zeile 529
Hier liegt ein Konflikt mit Artikel 87a Satz 2 GG vor. Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.
In mehreren Beiträgen haben wir heute bereits gehört, dass das Programm der CDU in Konflikt mit unserem Grundgesetz steht. Neben Artikel 1 (Menschenwürde), Artikel 16 (Asylrecht) und Artikel 20a (Klimaschutz) kommen hier also Artikel 5 (Wissenschaftsfreiheit) und Artikel 87a (Bundeswehreinsatz im Inneren) hinzu. Ich bin gespannt, ob wir im nächsten Verfassungsschutzbericht darüber lesen werden.
Zurück zur Energie
Bei Gaskraftwerken gibt es zwei Anlagenarten. Zunächst einmal Kraftwerke, die für eine Grundlast sehr häufig am Netz sind. Diese liegen in den Investitionen derzeit bei rund 70 US$/MWh. Gaskraftwerke, die Lastspitzen auffangen („Peaker“) sind deutlich weniger am Netz und deshalb mit rund 170 US$/MWh deutlich teurer. „Klimafreundliche“ Gaskraftwerke müssten entweder mit e-Methan, grünem Wasserstoff oder mit einer CO2-Abscheidung gebaut werden. Dies treibt die Kosten noch einmal deutlich nach oben als eine Batteriespeicherlösung.
Trotz einer Zunahme der fossilen Verstromung (Kohle und Gas) seit der Jahrtausendwende konnte kein Kostenvorteil erzielt werden. Woran liegt das? Die Herstellung von Großkraftwerken erfolgt im Manufakturbetrieb. Weltweit werden im Jahr etwa 300 Turbinen gebaut. Bei so kleinen Stückzahlen greifen keine Skalierungseffekte.
Schauen wir auf die erneuerbaren Energien: Wind auf See ist mit 106 US$/MWh deutlich teurer als Wind an Land mit 50 US$/MWh. Dies liegt an der aufwändigeren Bauweise. Große Solarkraftwerke sind bei etwa 60 US$/MWh. Sowohl in den Investitionskosten als auch in der Gesamtkostenrechnung sind die erneuerbaren Energien mittlerweile deutlich günstiger als fossile Optionen.
Bei den Investitionen liegt dies am wichtigsten Gesetz der Ökonomie, dem Wirght’schen Gesetz. Mit zunehmenden Stückzahlen werden die Produktionskosten günstiger. Wenn Kosten gegen Stückzahlen oder im Strommarkt installierter Kapazität doppellogarithmisch aufgetragen werden ergibt sich, wenn das Gesetz gilt, eine fallende Gerade.
Mit dem Wright’schen Gesetz können disruptive Effekte frühzeitig erkannt werden. Im Energiesektor war bereits 2005 klar, dass erneuerbare Energien ab ca. 2018 auf der Kostenseite den fossilen Kraftwerken den Rang ablaufen. Ähnliches gilt für den Verbrennungsmotor.
Dank des Preisverfalls in der Batterietechnik werden heute Solar und Windparks außerhalb von Deutschland immer mit Batteriespeichern ausgerüstet.
Bei den Folgekosten fallen bei fossilen und atomaren Kraftwerken deutlich mehr Müll an. Bei der Verbrennung schwermetallhaltige Asche und CO2, das bislang viel zu günstig in die Müllkippe Atmosphäre geblasen wurde. Bei Atomkraftwerken strahlende Abfälle, die für Millionen von Jahren sicher verwahrt werden müssen.
Warum setzt eine Partei, die sich Wirtschaftlichkeit auf die Fahnen schreibt auf Technologien, die nachweislich weder sauber noch bezahlbar sind?
In der CDU hat das Bermudadreieck der Energiewende eine traurige Berühmtheit erlangt: Carsten Linnemann, Thomas Bareiß und Joachim Pfeiffer haben in der letzten Dekade jede klimapolitische Idee, jedes Bemühen um substanziellen Klimaschutz und den Ausbau der erneuerbaren Energien sabotiert.
Die mächtige Gaslobby fürchtet um ihren Einfluss. Ohne Gaskraftwerke und dem Traum von Wasserstoffheizungen werden die Netze in wenigen Jahren nichts mehr wert sein. Und fossile Diktaturen verlieren ihre Einnahmequellen.
Kurz gesagt: fossile Verstrickungen und nuklearer Größenwahn lassen die CDU im Gestern verharren.
Zum Abschluss
Schließen möchte ich mit einem historischen Zitat und einem daraus abgeleiteten Ausblick.
Heute im Gepäck: Eunice Newton Foote. Wenn Ihr unseren Klimazeitstrahl, den wir auf Kölner Plätzen einmal im Monat auslegen, ganz links schaut findet Ihr ihren Eintrag 1856.
Eunice Newton Foote hat entdeckt, dass Kohlendioxid ein Klimagas ist. Sie durfte das zwar publizieren, aber als Frau nicht öffentlich vorstellen. Also haben Tyndall und Arrhenius die Lorbeeren abgestaubt.
Neben ihrer Tätigkeit als Wissenschaftlerin hat sich Eunice Zeit ihres Lebens für die Einführung des Frauenwahlrechts eingesetzt.
Das Originalzitat hat sechs Worte – ich übersetze fliegend:
- Stop dreaming – hör auf zu träumen
- Stop complaining – loß dat lamente – hör auf zu jammern
- Start acting – Mach was!
Und bei der Energie kannst Du selber den Fossilanten in der CDU ein Schnippchen schlagen.
Leg Solar aufs Dach und/oder häng Dir Solar an den Balkon und/oder tritt in eine Energiegenoss*innenschaft ein. Das kannst Du in Köln schon für jecke 111 Euro tun.
Jeder Solarzelle und jedes Windrad bedeutet weniger Geld für fossile Diktaturen. Denn:
Erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien!
Ich bedanke mich und schließe mit den Worten:
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