Leitkultur – eine absurde Idee
Es ist eine altbekannte, leidige Praxis, dass manche Menschen, Menschengruppe und allen voran rechte Parteien, sich selbst durch Abgrenzung gegenüber anderen Menschen definieren. Diese Gegenüberstellung von wir vs. die Anderen polarisiert, schürt Ressentiments, fördert Stereotypen und ist der Nährboden für rechten Hass und Hetze.
Ein Instrument, welches nicht ganz so offensichtlich, jedoch implizit Abgrenzung betreibt, ist die, von der CDU so oft geforderte „Leitkultur“ (geschrieben: Leidkultur). Auch wenn in dem Entwurf des Grundsatzprogramms der CDU die Worte Verantwortung, Freiheit, Vielfalt und Solidarität fallen, steht der Idee einer Leitkultur diesen Begriffen von Grund auf entgegen.
Eine Leitkultur ist gefährlich, weil sie einen Gegenpol zur kulturellen Vielfalt bildet und Kulturen hierarchisiert. Zudem ist der Begriff an sich schon absurd.
Was ist Kultur?
Kultur ist keine Sache, Kultur sind Beziehungen. Oder wie der Ethnologe Clifford Geertz es beschreibt, Kultur ist ein „selbstgeknüpftes Bedeutungsgewebe“. An diesem Gewebe stricken wir alle beständig und stetig, in jeder Begegnung.
Und mit diesem Stricken, weben wir Bedeutungen ein. Dieses Gewebe ist nicht starr, nicht statisch, nicht fest, es unterliegt einem stetigen Wandel, durch unsere tägliche Arbeit an diesem Gewebe. Kultur findet immer und überall statt, es gibt keinen Ort ohne sie.
Leitkultur ist Bevormundung!
Wenn nun also versucht wird uns von oben herab vorzugeben, wie eine Kultur aussehen soll, dann ist dies auch der Versuch unsere Begegnungen zu lenken. Zugespitzt können wir es auch Bevormundung nennen. Man könnte meinen, es wird uns nicht zugetraut, selbstbestimmt unsere Begegnungen zu gestalten, kulturelle Konventionen gemeinsam zu erarbeiten und wenn nötig auch wieder zu verwerfen.
Leitkultur trennt!
Eine von oben vorgegebene Leitkultur ist der Versuch, Fäden unseres kulturellen Gewebes zu durchtrennen. Eine Aus- und Abgrenzung unserer Begegnungen, in unserem Miteinander. Wenn schon diejenigen die zu Weihnachten keinen toten Baum in ihrem Wohnzimmer und nicht täglich das Stück Tier auf ihrem Teller haben, wenn hier schon die Fäden gekappt werden, dann ist die Abgrenzung zu Menschen nicht christlicher Religionen, zu Migrant*innen, zu People of Colour, zu Menschen die vermeintlich anders leben und lieben schneller und härter vollzogen, als das Wort Leitkultur ausgesprochen ist.
Dann müssen wir uns von dieser Kultur der Ausgrenzung abgrenzen und unser Gewebe gemeinsam nur umso feiner und fester stricken, damit es uns zusammenhält.
Demokratie ist unsere Grundlage
Wenn es etwas gibt, dass wir fest in unsere Kultur einweben sollten, dann ist es Verantwortung für unsere kulturelle Vielfalt, für unsere Gesellschaft, für unser soziales Miteinander und für den Planeten, dem Ort auf und von dem wir leben. Dies alles beginnt damit, dass wir Verantwortung übernehmen für die Demokratie. Sie ist die Grundlage, auch um gemeinsam Klimagerechtigkeit möglich zu machen, die 1,5° Grenze einzuhalten, Verantwortung für unsere Lebensgrundlage zu übernehmen.
Wir müssen Klimagerechtigkeit tief in unsere Kultur einweben. Das Bewusstsein für planetare Grenzen, der Endlichkeit unserer Ressourcen, muss dieses Gewebe durchdringen und mit ihm soziale Gerechtigkeit. Es muss uns bewusstwerden, dass dieses Gewebe viel weiter reicht, als unsere unmittelbaren Begegnungen. Denn mein Handeln hat Auswirkungen auf Menschen, denen ich nie begegnet bin, die in Ländern leben, die ich nie besucht habe.
Dennoch hat mein Handeln Einfluss auf ihr Leben, stricke ich unbewusst meinen Faden in ihr Leben und somit habe ich Verantwortung, durch mein Handeln. Diese Verantwortung, dieses Bewusstsein zielt nicht darauf ab, dass jede einzelne Person nun bitte ihren individuellen CO2-Fußabdruck senken möge, wie uns fossile Konzerne gerne glauben machen wollen.
Nein, diese Verantwortung liegt im demokratischen Handeln und im Miteinander. Diese Verantwortung liegt im Engagement und auch im Protest, mit dem wir gemeinsam, aus unserer Gesellschaft heraus Veränderungen der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erwirken können.
Mitmachen!
Hierfür ist jede Person aufgerufen, jede Person eingeladen, als Teil unserer Gesellschaft für unsere Gesellschaft und darüber hinaus für globale und generationenübergreifende Gerechtigkeit und den Schutz unserer Lebensgrundlagen einzustehen.
Und solange dies keine Selbstverständlichkeit ist, sollten wir uns immer wieder gegenseitig, Freund*inne, Kolleg*innen, Familie einladen teilzunehmen an Protesten, an demokratischem Wirken und natürlich an den anstehend Wahlen.
In unserem Zusammenschluss und unserer Stimme für eine Kultur der Klimagerechtigkeit und der gesellschaftlichen Offenheit und Vielfalt liegt unsere Stärke in Zeiten der multiplen Krisen. Wir sollten uns gegenseitig dazu ermutigen diese Stärke gemeinsam zu nutzen.
Demorede am 18.03.2024
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