Warum ist der Kapitalismus für die Klimakatastrophe (mit-)verantwortlich?

Ein Beitrag von Dieter (Grannies for Future)

1. Bedeutung von Marktmechanismus und ökonomischem Prinzip

In der Diskussion um die Forderungen der Fridays for Future wird immer wieder von Seiten der Wirtschaft und der ihre Interessen vertretende politischen Parteien betont, dass ausschließlich „marktwirtschaftliche Lösungsvorschläge“ erfolgreich sein können. Sie zeigen damit allerdings nur, dass sie offensichtlich nicht verstanden haben, dass die Marktwirtschaft nicht nur keine Lösung bietet, sondern geradezu der Verursacher der Klimakrise ist. Denn die Marktwirtschaft funktioniert nach 2 wesentlichen Prinzipien:

Dem ökonomischen Prinzip, also mit möglichst wenig Einsatz einen möglichst großen Gewinn zu erzielen und dem Marktmechanismus. Das heißt, dass Angebot, Nachfrage und Preis sich gegenseitig beeinflussen und so das bestmögliche Ergebnis für alle entsteht. Das ist sowieso schon eine steile Behauptung – guckt euch nur mal den Wohnungsmarkt an! Hier wird ja schon sofort deutlich, dass das Ganze nur funktioniert, wenn etwa Angebot und Nachfrage „beliebig“ schwanken können und echter Wettbewerb herrscht. Und das ist gleichzeitig das Problem: Wer „am Markt“ wettbewerbsfähig sein will, muss möglichst Kosten sparen.

Schon immer war die Schonung der natürlichen Ressourcen und die Folgen für die Umwelt einfach kein Kostenfaktor – von der Ausbeutung der Länder auf der Südhalbkugel ganz zu schweigen. Das spielte bei der Kosten-Nutzen-Rechnung einfach keine Rolle, bzw. war natürlich im Wettbewerb schädlich, solange niemand diese Rechnung aufgemacht hat. Solange man sich also im System des Marktes bewegt, darf man auf die Umwelt einfach keine Rücksicht nehmen, weil man sonst vom Markt verschwindet. Die Ausbeutung von Natur und Mensch ist also geradezu systemlogisch.

Vor welcher Bewährungsprobe steht die soziale Marktwirtschaft hinsichtlich der Umwelt- und des Rohstoffverbrauchs? Warum kann der "Markt" die SChonung der Rohstoffe und der Umwelt nicht steuern? Arbeitsblatt aus Politik betrifft uns, 1985
Vor welcher Bewährungsprobe steht die soziale Marktwirtschaft hinsichtlich der Umwelt- und des Rohstoffverbrauchs? Warum kann der “Markt” die SChonung der Rohstoffe und der Umwelt nicht steuern? Arbeitsblatt aus Politik betrifft uns, 1985

Dafür lassen sich unendlich viele Beispiele nennen:

Z.B. haben Supermärkte – die früheren „Tante-Emma-Läden“ (heute würden wir sagen „Unverpackt-Läden“) vom Markt gedrängt. Es war nämlich günstiger (also für die Kapitalgeber profitabler), wenn die Kunden einen Teil der Arbeit selbst erledigen. Dafür musste zwar viel Verpackung verwandt werden, aber die dadurch verursachten Schäden mussten ja andere tragen. Noch dramatischer wurde dieses Ungleichgewicht zuungunsten der Natur durch die Globalisierung. Nur ein kleines Beispiel: Krabben aus der Nordsee werden etwa durch halb Europa bis nach Marokko gefahren, damit Arbeiterinnen dort die Schale entfernen. Danach werden sie zurück in deutsche Supermärkte gebracht. Klingt umständlich, und das ist es auch. Trotz der so entstandenen Transportkosten ist das lohnend, denn immer noch billiger, als wenn sie in Deutschland gepult würden. Das liegt zum einen an der Ausbeutung der Pulerinnen in Marokko und zum anderen daran, dass die Ressourcenverschwendung und Umweltschäden keinen Preis haben. Denn diese Kosten werden entweder der Allgemeinheit (Schadenersatz für Dürreschäden aus Steuermitteln u.ä.) oder in viel dramatischerer Weise (Mangel an Rohstoffen, drohende Verteilungskriege, Flüchtlingsbewegungen usw.) den nachfolgenden Generationen auferlegt. Dass diese Kosten allerdings um ein Vielfaches höher sein werden, als die, die heute eingesetzt werden müssen, um die bekannten und beschlossenen Klimaziele zu erreichen spielt für die Produzenten logischerweise keine Rolle! Noch deutlicher wird der Unsinn, wenn so entstandenes umweltschädliches Verhalten auch noch durch den Staat belohnt wird! Im Sinne des ökonomischen Prinzips war es natürlich richtig aus den Großstädten in die Umgebung zu ziehen. Hier waren Grundstücks- und Mietpreise günstiger, als in der Stadt. Dass damit eine räumliche Trennung von Arbeits- und Wohnort verbunden war, spielte keine Rolle, denn es lohnte sich trotzdem. Und damit es sich auch immer lohnt subventioniert der Staat u.a. mit der Pendlerpauschale auch noch diese zusätzlichen CO2-Emissionen. Oder wie das ZDF folgert: Subventionen im Verkehr belohnen CO2-Ausstoß.

2. Zusammenhang zum Wirtschaftswachstum

Und es kommt noch eine weitere Schwachstelle unseres Wirtschaftssystems hinzu – die Notwendigkeit unbegrenzten Wachstums. Allerdings hat schon 1972 – also vor über 50 (!) Jahren – der Club of Rom auf die Grenzen des Wachstums hingewiesen. Man muss nicht allen Vorschlägen des „Clubs“ folgen, die Endlichkeit der Ressourcen ist aber schlicht logisch! Solange ein Wirtschaftswachstum ungehindert nach den Marktgesetzen möglich ist, werden logischerweise auch die Folgen für die Umwelt so verheerend sein, wie es die Wissenschaft seit 40 Jahren vorhersagt. Schlimmer noch: Schon jetzt sind die Folgen gravierender, als Wissenschaftler sie vorhergesagt haben.

Karrikatur von Haitzinger: "Herrlich wird das hier einmal, dort werden wir ein schönes Chemiewerk hinstellen, hier den schnellen Brüter und dazwischen die achtspurige Autobahn". Ausschnitt Arbeitsblatt aus Politik betrifft uns, 1985
Karrikatur von Haitzinger: “Herrlich wird das hier einmal, dort werden wir ein schönes Chemiewerk hinstellen, hier den schnellen Brüter und dazwischen die achtspurige Autobahn”. Ausschnitt Arbeitsblatt aus Politik betrifft uns, 1985

3. Klimagerechtigkeit erfordert andere Rahmenbedingungen

Die Forderung nach CO2-Bepreisung ist daher notwendig. Die Kosten für Umweltschäden müssen einen Preis bekommen – und das kann grundsätzlich nur die Politik machen, weil sie auch in der Lage ist (oder sein sollte), das gerecht und sozial verträglich zu gestalten. Mittlerweile ist dafür ja sogar schon ein Anfang gemacht. Wir wissen aber auch, dass der aktuelle CO2-Preis zu niedrig ist. Was allerdings vor allem fehlt, um gerecht zu sein ist die Einführung eines Klimageldes. Das hätte natürlich gleichzeitig mit dem CO2-Preis eingeführt werden müssen! Jetzt kommt es nicht einmal in dieser Legislaturperiode – obwohl es von allen Parteien der Koalition im Wahlkampf versprochen worden ist.

Es ist also offensichtlich, dass die Marktwirtschaft nicht nur keine Lösung bietet, sondern geradezu der Verursacher der Klimakrise ist. Das Dilemma ist, dass wir nicht die Zeit haben, zuerst das Wirtschaftssystem des Kapitalismus zu bekämpfen um dann die Klimakrise zu bekämpfen.

Wenn also die Marktwirtschaft Bestand haben kann, dann nur, wenn nicht mehr das Gewinninteresse einzelner die Entscheidungen bestimmt. Es muss sich mehr lohnen, die Interessen aller und eben auch der folgenden Generationen zu berücksichtigen! Nicht die Einzelinteressen, die über mächtige Lobbyisten einen undemokratischen Einfluss haben, dürfen weiterhin die Regeln bestimmen, sondern das Gemeinwohl und Nachhaltigkeit!

4. Wir haben mächtige Gegner, deren Macht (Einfluss) zurückgedrängt werden muss

Es war höchste Zeit, dass unsere Kinder und Enkel als die Betroffenen sich gegen diejenigen wehren und aufbegehren, die glauben oder vorgeben, für unser Wohl zu sorgen und die Verantwortung zu tragen, aber eigentlich nur verantwortungslos ihre eigenen Interessen verfolgen. Diese sind mit ihrer Lobbyarbeit allerdings sehr erfolgreich, wie Christan Stöcker in seinem Buch „Männer, die die Welt verbrennen“ eindrucksvoll beschreibt:

“Es geht den Mitgliedern des Atlas-Netzwerks im Kern immer um die Ideologie von möglichst unregulierten Märkten als Heilsbringer.

Die Anhänger dieser Ideologie betrachten die Überlegenheit solcher unregulierter Märkte als gewissermaßen gottgegebenes Gesetz. Physik dagegen behandeln sie gern als verhandelbar (oder sie leugnen einfach deren Aussagekraft).

Interessant ist das vor dem Hintergrund, dass all die neoliberalen „klimaskeptischen“ Thinktanks und ihre Verbündeten auf dem politischen Parkett allen, die die Klimakrise ernst nehmen, gerne „Ideologie“ unterstellen.

Physik und Ideologie? Tatsächlich ist es genau umgekehrt: Die Klimaforschung basiert auf Physik, und Physik verhandelt nicht. Wenn wir nicht aufhören, CO2 zu emittieren, führt das in die Katastrophe, das ist unzweifelhaft. Neoliberale Ideologie dagegen erhebt den Anspruch wissenschaftlicher Allgemeingültigkeit, ist aber längst empirisch an der Realität gescheitert.”

Wir sollten auch grundsätzlich mal den Begriff “Ideologie”, der so gerne gegen uns immer wieder als Kampfbegriff benutzt wird, aufgreifen und in die Debatte eingreifen. Wie von Christian Stöcker sehr schön dargestellt, gelingt es unseren Gegnern sogar die absurde Gleichsetzung von Naturwissenschaften mit Ideologie als Narrativ in die Welt zu setzen.

Auch bei sozialen Fragen gelingt das offensichtlich erfolgreich. Wenn eine höhere Besteuerung der Reichen gefordert wird, sprechen diejenigen von Neiddebatte, die diese gleichzeitig aber zwischen den ärmsten Teilen der Bevölkerung anzetteln. Nicht Bürgergeld ist ein “bedingungsloses Grundeinkommen”, sondern die Erbschaften der Superreichen!

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