#KohleEINstiegsgesetz – unser Schreiben an die SPD
Fragen zum geplanten Kohleausstiegsgesetz
Sehr geehrter Herr Dr. Mützenich,
wir wenden uns an Sie, als dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion und Kölner Abgeördneten, weil wir uns sehr ernsthafte Sörgen zum „Kohleausstiegsgesetz“ der Bundesregierung machen. Wir befürchten, dass es in der Hektik des Politikbetriebes – erst recht unter den aktuellen Bedingungen der Corona-Diskussionen – untergegangen ist, welche überaus bedenklichen Absprachen zwischen Bundesregierung und den „Kohleländern“ Eingang in den Gesetzentwurf zum Kohleausstieg gefunden hat.
Aufhänger ist tatsächlich der Passus im Gesetzesentwurf (§ 42 Abs, 2 Nr. 7), dass ein mit RWE zu schließender öffentlich-rechtlicher Vertrag unter anderem regeln solle, die Feststellung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler inklusive des 3. Umsiedlungsabschnitts in den Grenzen der Leitentscheidung der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zur Zukunft des Rheinischen Braunkohlereviers / Garzweiler II vom 5. Juli 2016.
Wir denken, dass dieser §42 – aus letztlich gesetzesfremden Motiven – allein im Interesse – und auf Betreiben – von RWE ins Gesetz geschrieben wurde und zusätzlich mit RWE vertraglich vereinbart werden soll, um RWE langfristig erhebliche wirtschaftliche Vorteile zu sichern, auf Kosten von Klima, Natur sowie der ortsansässigen Bevölkerung. Hier geht es ggf. um ein weiteres Beispiel, wie tatsächlich RWE die Energiepolitik des Landes bestimmt, und die Regierung dem willfährig Folge leistet.
Das Kohleausstiegsgesetz soll – aus Klimaschutzgründen – den Ausstieg aus der Kohleverstromung regeln, so dass diese früher als zuvor geplant (bis Anfang 2039 statt 2045) beendigt ist. Unter solchem Gesichtspunkt ist sinnvoll, einen geordneten Ausstiegspfad vorzusehen, der eben früher endigt als das bisher angenommene Ende der Braunkohleverstromung. Grundlage für das vorgesehene Ende 2045 waren Planungen seit den 50er Jahren und näher der Braunkohlenplan von 1995 sowie der Rahmenbetriebsplan von 1997. Nicht vorherzusehen und daher nicht kalkuliert waren zu jenen Zeitpunkten jedoch die Klimathematik in der heutigen Ausprägung (tatsächliche Klimaerwärmung, Paris Agreement), der technische Fortschritt bei den Erneuerbaren Energien sowie die allgemeine Marktentwicklung (mit besonderen Preisfaktoren wie CO2-Zertifikate).
Im Gegensatz zu den Annahmen 1995/1997 entwickelt sich die Braunkohleverstromung bereits aktuell zu einem unrentablen Geschäft, was unter Marktgesichtspunkten ggf. dann schon zu einem früheren Ende der Kohleverstromung führen würde als nach Ausstiegspfad vorgesehen.
Unter solchen Gesichtspunkten ist die Festlegung eines starren Ausstiegspfads, und vor allem dessen zusätzliche vertragliche Vereinbarung nicht sinnvoll.
Bei vorgenannter Feststellung einer „energiewirtschaftlichen Nötwendigkeit“ des Tagebaus Garzweiler ist bereits hochumstritten, ob eine solche wenigstens aus heutigem Blickwinkel gegeben sein könnte. Für das „hintere Ende“ des Regelungszeitraums – 2038 – dürfte sich solches selbst prognostisch nicht seriös feststellen lassen.
Überhaupt keinen Sinn ergibt es – vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks „Kohleausstieg“ eine sölche – umstrittene – „Notwendigkeit“ nicht nur gesetzlich festzustellen, söndern öbendrein mit dem Tagebaubetreiber auch noch vertraglich zu vereinbaren.
Wenn eine „Notwendigkeit“ – so sie überhaupt jemals gegeben wäre – entfällt, muss sich die Regelungslage dem anpassen können und dürfen dem nicht umgekehrt anderslautende vertragliche Vereinbarungen solches sogar hindern. So ist es hier aber offenbar geplant. RWE soll sich rein vertraglich auf eine vorgebliche „Notwendigkeit“ berufen können, selbst wenn eine solche tatsächlich längst nicht mehr gegeben ist. Für den Staat ergibt solches keinen Sinn.
Sehr viel Sinn ergibt solches jedoch umgekehrt für RWE, da die Begrifflichkeit
„energiewirtschaftliche Nötwendigkeit“ den rechtlichen Schlüssel bildet für den Zugriff auf die vollen Braunkohlevorräte des Tagebaus Garzweiler, insbesondere auch für die Führung vön Enteignungsverfahren. Gleichzeitig bietet diese „Feststellung“ einen Hebel für RWE, die Braunkohleverstromung auch angesichts Unrentabilität fortzuführen und vom Staat dann Subventionierung zu beanspruchen, denn der Tagebau ist ja – vom Gesetzgeber attestiert und vertraglich zugesichert – „notwendig“.
Tatsächlich ist diese Klausel öffenbar Bestandteil eines „Pakets“, welches RWE dafür, dass am „hinteren“ Laufzeitende – ggf. bloß formal – sieben Jahre Braunkohleausbeute entfallen, in der Zeit vorher – bis 2039 – eine maximal ungehinderte Ausbeute nach freiem Belieben ermöglicht werden soll, wobei sich der Staat vertraglich verpflichtet, dabei in keiner Weise mehr – komme, was wolle – erneut gesetzgeberisch einzugreifen (s. S. 14 BT-Drs. 19/18472).
Unter dem Strich kann die Regelung also dazu führen, dass Braunkohleverstromung länger als energiewirtschaftlich tatsächlich notwendig und länger als eigentlich wirtschaftlich sinnvoll fortgeführt wird und – ggf. mit weiterer staatlicher Hilfe – für RWE künstlich rentabel und profitabel gehalten wird. Wollte RWE sein Braunkohlegeschäft veräußern, etwa an einen Investor wie EPH, dürfte eine solche Regelung massiv kaufpreiserhöhend wirken bzw. das Braunkohlegeschäft überhaupt veräußerbar sein.
Mit dieser Klausel, die vertraglich mit RWE vereinbart werden soll, also einseitig seitens des Staats nicht mehr abänderbar/auf kündbar ist erhält RWE Vorteile, die mit den
Empfehlungen der Köhlekömmissiön und dem Gesetzeszweck „Köhleausstieg“ nicht nur
nichts zu tun haben und nicht hieraus folgen, sondern allem letztlich konträr zuwiderlaufen.
Besonders interessant ist vor diesem Hintergrund, welche Entstehungsgeschichte dieser
Klausel § 42 Abs, 2 Nr. 7 zu Grunde liegt, die sich im Dunklen verbirgt. Sie ist Teil dessen, was als Ergebnis der Bund-Länder-Einigung vom 15. Januar verkündet wurde. Laschet hatte dazu vor der Presse erklärt, das habe die Bundesregierung so gewollt – „und wir sind dem gefolgt“.
Der Satz ist allerdings von solcher Tragweite, und mit solcher Präzision gesetzt dass dieser unmöglich blöß „gesprächsweise“ bei diesem Treffen am 15. Januar 2020 entstanden sein wird, sondern mit ggf. ganz langer Hand vorbereitet war, und zwar unter Beteiligung, ggf. auf Betreiben von RWE, welchen Weg es danach immer genau genommen hat.
Wir fragen Sie daher:
- Will die SPD tatsächlich einem Gesetz zustimmen, welches (mal wieder) die Interessen
eines Konzerns über die Interessen der Bürgerinnen und Bürger stellt? - Können Sie verantworten, dass Steuermittel mindestens in mehrstelliger
Milliardenhöhe eingesetzt werden, um eine mittlerweile nicht mehr ökonomisch
sinnvolle Industrie zu unterstützen? - Wollen Sie auf diese Art die berechtigten Interessen der Bewohner*innen der
betroffenen Gemeinden auf Kosten der Gewinninteressen von RWE opfern? - Wollen Sie zulassen, dass „der Staat“ einem Konzern Steuergelder schenkt, der mit der
Braunkohle schon seit Jahrzehnten riesige Gewinne gemacht hat und obendrein mit
dem Köhleausstiegsgesetz schön fürstlich „entlohnt“ wird? - Halten Sie es für vertretbar, in Zeiten, in denen ein Konjunkturprogramm in
ungeahnter Höhe erförderlich sein wird, Milliarden ausgerechnet in eine „sterbende“
Branche zu investieren? Wäre es aus Sicht der SPD nicht viel sinnvoller, den Kurs der
eigenen Umweltministerin zu stärken und sich offensiv gegen die Forderungen des
CDU-Wirtschaftsrates zu positionieren?
Wir laden Sie gerne ein, uns diese Fragen bei einem Besuch unserer Kundgebung am 22. Mai um 19:00 Uhr auf dem Kölner Rudolfplatz, zu beantworten. Sollten Sie es nicht schaffen, einen Termin noch so kurzfristig wahrzunehmen, freuen wir uns über Ihre Antwort bis zum 22. Mai 12:00 Uhr.
Wir werden sie bei unserer o.g. Kundgebung, ganz oder teilweise öffentlich
verlesen.
Die Pressestelle von Parents for Future Deutschland e.V. erhält dieses Schreiben als Kopie.
Mit freundlichen Grüßen
Kölle for Future – ein Zusammenschluss der Kölner „4-Future-Gruppen“ (Fridays for Future, Parents for Future, Students for Future, Grannies for Future, Teachers for Future, XR Köln)