1,5 Grad Grenze, kalter Kaffee und ein Kranz Kölsch
Morgens früh, das selbe leidige Thema – Aufstehen.
Na gut es muss so sein. Genauso wie der Kaffee sein muss um erstmal klar zu kommen. Während das heiße Wasser durch den Filter läuft, weckt der angenehme Geruch die Vorfreude auf das baldig zu konsumierende Heißgetränks die Lebensgeister. Mit der ersten Tasse Kaffee sind sie vollständig wach. Doch nicht nur sie, auch die Zweifel an der Richtigkeit dieser Morgenroutine.
Zum Kaffee sind wir nur gekommen, bzw. vielmehr kam er zu uns, durch Kolonisation, Kolonialwarenhandel, durch Ausbeutung etc. Und all das hat der Kaffee immer noch im Gepäck, Ausbeutung von Menschen und Böden. Und ich traue mich gar nicht die CO2-Bilanz zu recherchieren. Egal wie grün die Suchmaschine ist, das Suchergebnis wird es nicht sein.
Die erste Tasse Kaffee schmeckte noch gut, war wohltunend. Jetzt ist der Geist wach genug sich mit den eigenen Widersprüchlichkeiten auseinander zusetzten. Das ist unangenehm. Dem geht mensch lieber aus dem Weg. Also ein Blick in Zeit Online:
„ Die Erderwärmung hat laut dem EU-Klimawandeldienst Copernicus erstmals über einen Zeitraum von zwölf Monaten über 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter gelegen.“
https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2024-02/copernikus-eu-klimawandeldienst-erderwaermung-januar-rekordhitze
Schöne Scheiße! Wenn auch nicht wirklich überraschend. Und wenn mensch sich das eingesteht, dann ist dass das bitterste an dem ganzen. Dass was wir ahnten, fühlten, spürten, auf eine nichtwissenschaftliche Weise wussten, ist nun wissenschaftlich belegt. Und so wie Belege wissenschaftliche Theorien stützen, so bringen sie mich zu Fall.
Zum Glück sitze ich und halte mich mit der einen Hand am Telefon, auf dem ich besagte Zeile gelesen habe, und mit der anderen am Kaffeebecher fest, wissend dass das völlig nutzlos ist. Diese Zwei, auch sie tragen dazu bei, dass diese Grenze gerissen wurde. Auch ich.
Die Ich- Nummer, die -es liegt an mir und ich muss nur etwas an meinem Verhalten ändern- Nummer wurde schon zu genüge durchgespielt, nachdem sie uns von öl-industrieller Seite ins Ohr geflüstert wurde. Und ja, jede*r einzelne kann ein wenig das richtige tun und ja, auch der Kassenzettel ist eine Abstimmung, immer wieder.
Aber wer von euch stand noch nicht hilflos und völlig überfordert im Supermarkt und wollte am liebsten die Marktleitung verlangen, weil es doch nicht sein kann, dass im Januar Erdbeeren angeboten werden und hat dann über diese Aufregung das eigentliche Ziel, den Wocheneinkauf völlig vergessen.
Also wir können nicht alle Schuld auf uns abladen, aber genauso wenig unsere Hände in Unschuld waschen, weil ja die anderen, die Politik, die Industrie… verantwortlich sind und wir nur konsumieren können, was angeboten wird.
Beides Bullshit, so einfach bzw. so schwer können wir es uns nicht machen. Es ist viel komplizierter. Und vor allem ist es 1,52° zu heiß! (im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter) Also vor lauter Aufregung und Denken das Ziel, bzw. die 1,5°-Grenze nicht aus den Augen verlieren.
Was können wir nun tun? Wir könnten sagen: „Die Grenze ist eh schon überschritten, dann ist jetzt auch egal. Lass mal weiter machen wie bisher.“
Aber, wenn ich zwei, drei große Kölsch trinke und dann Auto fahre, dann ist dass keine gute Idee, weil es vermutlich 1-2 Kölsch zu viel sind (zumindest für einen relativ kleinen, weiblichen Menschen wie mich). Noch dümmer wäre es dann, weil eh schon zu viel getrunken um noch fahrtüchtig zu sein, einfach weiter zu trinken und mit dem Kranz Kölsch auf dem Beifahrer sitzt ne Runde durchs Veedel zu fahren. Is ja jetzt auch egal. NE! Ist es ebnen nicht!
Mit jedem Kölsch mehr wird diese Fahrt gefährlicher, mit jedem zehntel Grad wird es gefährlich wärmer.
Was also tun. Den Kranz Kölsch auf den Gepäckträger des Fahrrades klemmen, das Rad schieben.
Alleine unterwegs ist mensch so wahrscheinlich nicht lange und das ist auch gut so. Gemeinsam ist es doch viel schöner.
Das blöde nur an diesem bis hier hin eigentlich ganz schönen Vergleich (wie ich finde), ist, wo ist in dieser 1,5 Grad-Metapher unser Kranz Kölsch, den wir auf den Gepäckträger packen können?
Sind es Demos? Sind es Petitionen? Sind es Briefe und Emails an Abgeordnete? Ja wonach suche ich hier eigentlich um diesen Vergleich kohärent zu machen?
Fest steht wir brauchen Menschen, viele Menschen, die ein Signal an Politik und Industrie und ja natürlich auch an Kölsch-Brauereien senden, dass wir Wandel wollen, dass wir Wandel brauchen.
Und zwar jetzt! Und zwar radikal! Denn die Uhr tickt zunehmend lauter, mit jedem zehntel Grad, dass das Thermometer dauerhaft steigt.
Und während ich so vor mich hindenkend, irgendwo zwischen Aufregung und Resignation an meinem, inzwischen kalten, Kaffee nippe, kommt mir die Idee mit dem Fahrrad und dem Kranz eigentlich ganz charmant vor.
