Braunkohleentschädigungen zu hoch – muss jetzt neu verhandelt werden?
Formelbasierte Entschädigungslogik des Bundeswirtschaftsministeriums verwendet offenbar veraltete Daten zugunsten der Beteiber RWE und LEAG
Die Recherche von Annika Jörres und Susanne Götze bestätigt unsere Beschwerde bei der EU-Kommission von Juli 2020.
Damit zeichnet sich das aus für die unwirtschaftliche Braunkohle deutlich vor 2030 ab. #AlleDörferbleiben!
Die EU-Kommission ist unserer Beschwerde weitgehend gefolgt:
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen hat die Kommission Bedenken in Bezug auf die von Deutschland vorgebrachte Rechtfertigung der Entschädigungszahlungen für RWE und LEAG. Es bestehen Zweifel, ob die Entschädigung auf das erforderliche Minimum beschränkt ist und die Beträge angemessen sind.
https://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases1/202117/292944_2268208_79_2.pdf
Unsere Begründung aus Juli 2020 (Ausschnitt)
Die Entschädigungszahlungen sind rechtlich nicht zwingend und zu hoch
Artikel 44 (Seite 79) des Kohleausstiegsgesetzes definiert Entschädigungszahlungen für Braunkohleanlagen. Die RWE Power AG (RWE) habe demnach einen Anspruch in Höhe von 2,6 Milliarden Euro und die Lausitz Energie Kraftwerke AG (LEAG) einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1,75 Milliarden Euro. Die Anlagen sollen endgültig und sozialverträglich stellgelegt werden.
Der Entwurf des öffentlich-rechtlichen Vertrages (BMWi 2020a sowie Drucksache 19/21120) sieht in Artikel 14 vor, „dass die Entschädigung dafür genutzt wird, die Tagebaufolgekosten rechtzeitig abzudecken”. Dabei liegt gemäß Bundesberggesetz die Verantwortung für die Wiedernutzbarmachung der Tagebaue, für Bergschäden sowie für die Rekultivierung, die Wasserhaltung sowie eine etwaige Nachsorge eindeutig bei den Tagebaubetreibern. Aus dem laufenden Betrieb müssen dafür Rückstellungen gebildet werden und die Kosten dann auf den Strompreis aufgeschlagen werden. Wir bitten die EU zu prüfen, ob dies erfolgt ist.
Die Zahlungen begünstigen also voraussichtlich die Braunkohle zu Lasten der erneuerbaren Energiegewinnung in Europa, was wettbewerbsrechtlich gemäß Artikel 107 AEUV unzulässig ist.
Dr. Felix Matthes (2020) stellt in der Sachverständigenanhörung heraus, dass die im Gesetz angegebenen Entschädigungszahlungen nicht belastbar seien. Insbesondere seien die Zahlungen für Braunkohleanlagen deutlich zu hoch angesetzt, da die zu erwartenden Braunkohlefördermengen zu hoch gegriffen seien und der Realität nicht mehr Stand halten. Beispielsweise werden der LEAG Ansprüche aus dem Abbaufeld Mühlrose zugesprochen, welches noch nicht rechtssicher genehmigt ist.
Das noch unveröffentlichte Gutachten der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young bestätigt im vorab veröffentlichten Papier des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi 2020b) die zu hoch angenommenen Mengen für die LEAG. Ernst & Young hält mit 797 Mio. Tonnen Braunkohle sogar einen um rund fünf Prozent geringeren Kohlebedarf für die Kapazitätsentwicklung gemäß Ausstiegspfad der Bund-Länder-Einigung für plausibel als Matthes für das Öko-Institut.
Trotz Anfragen und Klagen von Frag den Staat und ClientEarth hat das Bundeswirtschaftsministerium bislang keinerlei Berechnungen und Gutachten für die Entschädigungssummen vorgelegt. Diese intransparente Herangehensweise ist von der Kommission zu rügen. Die Kommission muss an dieser Stelle hinterfragen, wie die Summen zu Stande gekommen sind. Aus unserer Sicht ist das Gesetz in diesem Punkt als Null und Nichtig zu betrachten, da es einen klaren Verstoß gegen Artikel 107 AEUV darstellt.