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Träum weiter (VI) … von der Gerechtigkeit

Mit dem Begriff Klimagerechtigkeit wird Klimaschutz mit der Frage nach der gerechten Verteilung für die Klimaschutzkosten verbunden1. Mit dem Begriff Gerechtigkeit kommen allerdings viele Ebenen hinzu, was die Diskussion um Klimaschutz sehr anspruchsvoll macht. Dabei hat eine Studie ergeben, dass wenn Menschen verstanden haben, was unter Klimagerechtigkeit zu verstehen ist, sie auch eher Klimaschutzmaßnahmen zustimmen würden.2

Jeder will sie

Jeder will Gerechtigkeit. Eine zu stark empfundene Ungerechtigkeit kann den sozialen Zusammenhalt gefährden. Denn jeder will als Person angemessen berücksichtigt werden. Es ist eine Grundlage des wechselseitigen Respekts.

Gerechtigkeit wird als selbstverständlich vorausgesetzt und als solche erstmal nicht wahrgenommen, in dem Sinne, dass es als normal bzw selbstverständlich voraussetzt wird, gerecht behandelt zu werden, selbst wenn die tatsächlichen Verhältnisse es nicht sind. Gerechtigkeit wird erst dann als Problem gesehen, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt, d.h. in einer Sache im Vergleich zu anderen nicht angemessen berücksichtigt wird.

Gerechtigkeit ist keine Zahl

Doch Gerechtigkeit ist kein einheitlicher Begriff, sondern eher eine Sammelbezeichnung für verschiedene Prinzipien, die z.T. zueinander in einem Spannungsverhältnis stehen. Selbst 3000 Jahre Philosophie haben die Widersprüchlichkeit von Gerechtigkeit nicht aufheben können. Zudem ist Gerechtigkeit nicht messbar, d.h. man sie nicht in einer Zahl ausdrücken.

Nur emotional betrachtet es einfach. Ungerechtigkeit löst in der Regel immer Verärgerung, Empörung oder Wut aus. Und das manchmal schneller als wir denken können. Gerechtigkeit ist eng mit den betreffenden Emotionen verbunden und Ungerechtigkeit kann daher starke Emotionen hervorrufen und politische Energie freisetzen.

Gerechtigkeit ist nicht individuell

Gerechtigkeit ist nicht, wie z.B. Freiheit, auf das Individuum bezogen, sondern bezieht sich auf das Zusammenleben bzw. auf das Verhältnis zwischen Individuen. Ich kann als einzelner Mensch Freiheit besitzen, aber nicht Gerechtigkeit.3 Wenn ich auf mich persönlich bezogen etwas als ungerecht empfinde, dann beinhaltet das die Überzeugung, dass jeder, der an meiner Stelle wäre, genauso denken würde. D.h. damit ist zugleich ein moralischer Anspruch verknüpft. Selbst, wenn ich mich für Gerechtigkeit für andere oder im Allgemeinen einsetze. Die emotionale und soziale bzw. moralische Ebene sind faktisch nicht zu trennen. Es kann daher auch schnell zu hitzigen moralischen Diskussionen führen, was der Sache nicht immer dienlich ist.

Gerechtigkeit ist widersprüchlich

Mal ein Beispiel dafür, dass der Gerechtigkeit kein einheitlicher Begriff ist: einerseits würden fast alle dem Prinzip zustimmen, dass jeder den Anteil bekommt, der der erbrachten Leistung entspricht. Das wird Leistungsgerechtigkeit genannt. Ebenso stimmen fast alle dem Prinzip zu, dass jeder ein Anrecht auf ein Existenzminimum hat. Um letzteres zu erreichen, muss aber jeweils auf ein Teil des Ergebnisses der eigenen Leistung verzichtet werden, damit diejenigen, die nichts leisten können, ein Existenzminimum haben. Jetzt könnte man sagen, wenn die Unterstützung durch den Einzelnen freiwillig erfolgt, gäbe es kein Problem. Aber wenn jeder Anrecht auf ein menschenwürdiges Dasein haben soll, darf dieses nicht vom Wohlwollen Einzelner abhängen.

Die ewige Aufgabe

Die Frage ist also immer, in welchem Maße das eine Prinzip zugunsten des anderen eingeschränkt wird und warum. Zudem ist die Vorstellung von Gerechtigkeit immer auch ideologisch, da politisch. Das Gerechtigkeitsproblem bewegt sich u.a. zwischen den Polen Konkurrenz und Solidarität. Ist also abhängig von der Frage, wo und inwieweit eine Gesellschaft durch Konkurrenz (z.B. Liberalismus) oder durch Solidarität (z.B. Sozialismus) geprägt sein soll.

Es zeigt sich auch schnell, dass es keine vollständig gerechte Gesellschaft geben kann. Man kann nur versuchen jeweils ein für alle akzeptables Gleichgewicht zwischen den Prinzipien herzustellen, was aber wiederum den Veränderungen des Zeitgeistes unterworfen ist. Das bedeutet auch, dass uns der Diskussionsstoff in Sachen Gerechtigkeit nie ausgeht. Damit diese konstruktiv geführt werden können, benötigt man Empathie für den Andersdenkenden, denn erst daraus ergibt sich das Gefühl für Fairness.

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Bild oben kombiniert aus Bildern von moizgraphics und Mohamed_hassan @pixabay

  1. https://koelle4future.de/blog/2024/07/24/klimagerechtigkeit-ist-aelter-als-fridays-for-future ↩︎
  2. https://www.nature.com/articles/s41558-024-02168-y ↩︎
  3. Natürlich kann man auch ungerecht gegen sich selbst sein, aber auch hier betrifft es eine Beziehung, und zwar die zu sich selbst. ↩︎

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