Zukunftsbilder: Solarpunk als Ästhetik

Must Have - Tools für Gesellschaften in Krisenzeiten Solarpunk - Zukunftsbilder Im Bild: eine stilisierte Erde, Schmetterlinge, Kekse, Kaffetasse und ein kleiner Dino

Punk ist tot, es lebe der Punk. Wieso wir als Gesellschaft in Krisenzeiten auch Subkultur brauchen und was diese Subkultur des Solarpunk ausmacht, könnt ihr im Folgenden lesen.

Wir halten diese Subkultur deshalb für relevant, weil sie uns neue Visionen, Zukunftsbilder mit ihrer eigenen Ästhetik eröffnet. Ein neuer, ein anderer Blick auf eine mögliche Welt von morgen.

Und nur wenn wir uns solchen Bildern öffnen, dann besteht auch die Chance sie aus dem digitalen in die Wirklichkeit zu holen. Aber lest selbst, was es mit Solarpunk auf sich hat.

Reblog via Solarpunk

Solarpunk ist nicht nur Bewegung und Literaturgenre – tatsächlich liegen seine Wurzeln eher in einer Ästhetik, die sich von der Neon-beleuchteten Hoffnungslosigkeit im Cyberpunk und der mechanisierten Rückwärtsgewandtheit im Steampunk absetzen wollte.

Wälder, Wiesen, Windturbinen: Screenshot aus „Dear Alice“

Wälder, Wiesen, Windturbinen: Screenshot aus „Dear Alice“

Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, heißt es. Und tatsächlich hat Solarpunk als Bewegung zum ersten Mal richtig an Fahrt aufgenommen, als 2008 auf dem Tumblr-Blog Solarpunk Aesthetic ein Artikel über Solarpunk Mode veröffentlicht wurde, der mit attraktiven Bildern untermalt war.

Der große Vorteil von Bildern besteht darin, dass sie viel niedrigschwelliger sind als Texte. Sie erreichen viel eher unsere Emotionen als geschriebene Wörter. Und auch Menschen, die nicht gerne lesen (oder es nicht gut können) haben dazu Zugang – ein wichtiger Schritt für Inklusion und Demokratisierung.

Wie ich in diesem Artikel beschrieben habe, hat sich Solarpunk auch als Gegenbewegung zu Cyberpunk und Steampunk entwickelt. Beide Subkulturen sind allerdings momentan noch sehr viel bekannter als ihr sonniges Gegenstück – und meiner Meinung nach sind sie auch deswegen so bekannt geworden, weil sie eine für viele Menschen attraktive Optik mit Wiedererkennungswert entwickelt haben. Kann und sollte Solarpunk diesen Weg gehen?

Cyberpunk entstand in den 1980er Jahren – und zwar in erster Linie als Abgrenzung vom damaligen Science-Fiction-Mainstream, der vielen Autor:innen zu naiv und unpolitisch vorkam. Klassische Werke in diesem Genre sind z.B. William Gibsons Neuromancer-Trilogie, Blade Runner, die Matrix-Filme, Terminator und Tron.

Im Hinblick auf die Ästhetik sind neonbeleuchtete Reklamen, Wolkenkratzer und heruntergekommene Stadtviertel für die Unterklasse charakteristisch für diese Subkultur:

Cyberpunk, Neon, Night image.

Steampunk entstand ebenfalls in den 80er Jahren, ging als Genre aber eine andere Richtung. Steampunk-Geschichten spielen in alternativen Zukünften, in denen Dampfkraft und klassische Mechanik nach wie vor eine dominante Rolle spielen und auch Technologien wie Computertechnik und Raumfahrt prägen.

Steampunk Door Gears by Amy from Pixabay

Steampunk-Ästhetik lebt dementsprechend von Zahnrädern und Bolzen, Kupfer und Messing – oft ergänzt durch eine viktorianisch anmutende Mode. Steampunk hat unter anderem auch deswegen eine weite Verbreitung erfahren, weil Subkulturen wie z.B. Goths sich die Ästhetik in Form von Cosplay-Outfits aneigneten:

Autor G. D. Falksen in Steampunk-Outfit von Tyrus Flynn, CC BY-SA 3.0,

Anders als bei Cyberpunk und Steampunk würde ich behaupten, dass die Ästhetik von Solarpunk noch in einer Findungsphase ist. Ästhetisches Empfinden ist natürlich sehr individuell, und unterschiedliche Menschen finden unterschiedliche Bilder schön. Trotzdem gibt es einige Bilder, die sehr häufig in Solarpunk-Communities erwähnt und genutzt werden – hier möchte ich einige davon vorstellen.

Saftige Wiesen, gutes Essen, glückliche Menschen, nachhaltige Technologien, die das Leben leichter machen… Wenn ich mir eine Zukunft wünschen dürfte, würde sie wohl ziemlich ähnlich aussehen wie in diesem Video.1

https://youtu.be/UqJJktxCY9U

Hier ein weiteres weit verbreitetes Bild im Solarpunk-Stil: Eine Frau steht auf einem bunt bewachsenen Balkon; um sie herum sieht man eine begrünte, autofreie Stadt. Im Stadtbild dominieren Solarpanele und Windräder, Glaskuppeln und Bäume. Weit im Hintergrund sind außerdem bewachsene Hochhäuser und Eine Seilbahn zu erkennen.

https://www.jessicaperlsteinart.com/

Runde Formen, die Kombination von Low-Tech (Handwagen) und High-Tech (Turbinen). Die Kraft der Elemente der Natur ist hier fast spürbar – positiv in Form von Windenergie, aber auch als Gefahr für die Ernte:

Auch wenn Solarpunk-Ästhetik noch nicht abschließend definiert wurde, kann man meiner Meinung nach schon einige Dinge verallgemeinern. In den meisten Kunstwerken dominieren helle, warme, pastellige Farben; thematisch ist zudem die Verschränkung bzw. Einbettung von Technologie in die Natur allgegenwärtig. Hier eine kurze Auflistung von Elementen, die in meiner Wahrnehmung sehr häufig vorkommen:

TechnologieArchitekturPflanzenweltTransportmittel
PhotovoltaikBalkoneBäumeFahrräder
DrohnenGlaskuppelnGemüsepflanzenZüge
WindturbinenDachbrückenBlumenZeppeline
Augmented RealityHolzelementeKletterrankenSegelboote

Was sollen diese Bilder denn bewirken? Nun, zunächst mal ist wichtig, dass Kunst natürlich auch für sich stehen, ohne Zweck bedeutsam sein darf. Gleichzeitig beruht die Wandel-Theorie von Solarpunk (wie ich sie wahrnehme) darauf, wünschenswerte Zukünfte wieder vorstellbar zu machen. Die Bilder erreichen für mich (und für viele andere in Solarpunk-Communities) genau das – sie wecken Sehnsucht nach möglichen Zukünften, die so aussehen könnten; sie geben diesen Zukünften ein konkretes, erlebbares Gefühl, statt sie nur mit Worten zu beschreiben; und oft genug inspirieren sie mich auch dazu, mehr über den Transformationsprozess dahin nachzudenken und Schritte auf dem Weg zu gehen. Tatsächlich laufen meine Lieblingsbilder als Dauerschleife auf meinem Desktop. 😅

Allerdings besteht meiner Meinung nach auch die Gefahr, dass Solarpunk zu einer bloßen Ästhetik verkommt und die progressiven, widerständigen Aspekte der Bewegung dabei unter den Tisch fallen. Teilweise passiert das schon: Wenn man bei Google “Solarpunk” sucht, findet man reihenweise generische, oft KI-generierte2 Darstellungen von begrünten, menschenleeren Wolkenkratzern – für mich ein Zeichen, dass es den Ersteller:innen gar nicht so sehr um die Menschen geht, die in dieser Welt leben könnten, bzw. dass sie zumindest keine Ideen für diejenigen haben, die nicht reich genug sind um im Penthouse im Hochhaus zu wohnen.

Aus diesem Grund bin ich immer auf der Suche nach Bildern, die a) die Werte der Bewegung sehr deutlich in sich tragen und b) auch schon Elemente eines möglichen Transformationsprozesses beinhalten. In den nächsten Wochen werde ich aus auf diesem Blog daher eine Reihe von Bildern vorstellen, die in diese Richtung gehen – und aus eine Artikel-Reihe machen!

https://solar-punk.org/2024/09/27/zukunftsbilder-solarpunk-als-asthetik/

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert